Wenn wir über Innovation reden, geht es oft um bahnbrechende Ideen, mutige Visionen und den unermüdlichen Einsatz, um diese Realität werden zu lassen. Teams spielen dabei eine Schlüsselrolle. Sie sind der Motor, der Innovation vorantreibt – oder sie zum Stillstand bringt. Aber wussten Sie, dass zu viel Leidenschaft genau der Grund sein kann, warum die zündende Idee nicht abhebt? Klingt paradox, oder? Willkommen in der Welt der „obsessiven Leidenschaft“, die laut aktueller Forschung von Hui Liao von der University of Maryland genau das tun kann.
Inhaltsverzeichnis
Harmonische vs. obsessive Leidenschaft: Ein Balanceakt
Wir alle lieben es, wenn unsere Teams voller Energie und Tatendrang sprühen. Doch die Autoren um Hui Liao von der Universität Maryland haben herausgefunden, dass es zwei Arten von Leidenschaft gibt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Harmonische Leidenschaft ist das, was wir alle im Idealfall anstreben: Sie bringt Energie, Fokus und dennoch eine gewisse Flexibilität, die es dem Team erlaubt, auch mal innezuhalten, nachzudenken und Kurskorrekturen vorzunehmen. Diese Reflektionsfähigkeit – oder wie Liao es nennt, „Teamreflexivität“ – ist entscheidend für echte Innovation. Denn wer ständig Vollgas gibt, verpasst oft den richtigen Moment, um sich zu fragen: „Sind wir eigentlich noch auf dem richtigen Weg?“
Dann gibt es die obsessive Leidenschaft. Das sind die Teammitglieder, die ständig am Limit arbeiten, die immer noch ein bisschen mehr rausholen wollen und sich nicht mit dem Status quo zufriedengeben. Klingt erst mal wie der Traum eines jeden Innovationsmanagers, oder? Nicht ganz. Denn genau diese Besessenheit verhindert, dass das Team innehalten und sich selbst hinterfragen kann. Und ohne diesen Reflexionsmoment, ohne den Raum, in dem Ideen geprüft, verbessert oder auch mal verworfen werden, bleiben viele innovative Ansätze genau das: Ansätze. Keine Durchbrüche.
Warum Reflexion der Schlüssel ist
Reflexion klingt in der Welt des Innovationsmanagement oft wie etwas, das wir mal schnell zwischendurch erledigen. „Lasst uns kurz überlegen, was gut gelaufen ist und dann weiter Gas geben!“ Doch genau hier liegt der Haken. Laut Hui Liao et al. sind es die Momente, in denen das Team innehalten und seine Strategien bewusst überdenken kann, die den Unterschied machen. Harmonische Leidenschaft gibt Raum für diese Flexibilität. Obsessive Leidenschaft hingegen treibt das Team unaufhörlich voran – ohne Rücksicht auf Verluste. Das Ergebnis? Stagnation statt Fortschritt. Innovation bedeutet nämlich nicht, nur immer weiterzumachen, sondern auch die Fähigkeit zu haben, den Kurs anzupassen, wenn es nötig ist.
Wie Sie als Führungskraft das Beste aus Ihrem Innovationsteam machen
Jetzt, da wir wissen, dass zu viel Leidenschaft auch kontraproduktiv sein kann, stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es, das richtige Maß zu finden? Hui Liao hat einige praxisnahe Tipps, wie Teamleiter das Gleichgewicht zwischen harmonischer und obsessiver Leidenschaft herstellen können:
- Die richtige Balance finden: Achten Sie darauf, dass Sie Ihr Team mit unterschiedlichen Leidenschaften zusammenstellen. Menschen mit obsessiver Leidenschaft haben oft wertvolle Qualitäten – vielleicht technisches Know-how oder wichtige Netzwerke. Aber sie brauchen einen Gegenpol, jemanden, der auch mal die Handbremse zieht und sagt: „Lasst uns mal einen Schritt zurückgehen und nachdenken.“
- Obsessive Tendenzen adressieren: Beobachten Sie Ihr Team genau. Manchmal merken wir nicht, wenn wir in den Modus der obsessiven Leidenschaft verfallen. Ein sanfter Hinweis auf diese Verhaltensmuster kann oft Wunder wirken und Raum für Reflexion schaffen.
- Reflektion fördern: Schaffen Sie eine Kultur, in der Reflexion ein fester Bestandteil des Innovationsprozesses ist. Ermutigen Sie Ihr Team, regelmäßig innezuhalten, sich gegenseitig Feedback zu geben und alternative Ideen zu diskutieren. Innovation gedeiht dort, wo Ideen nicht nur entstehen, sondern auch weiterentwickelt werden.
Fazit: Innovation braucht Leidenschaft – aber die richtige
Innovation ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und wie bei jedem Marathon brauchen Sie nicht nur Ausdauer, sondern auch die Fähigkeit, zwischendurch innezuhalten, Ihre Taktik zu überdenken und sich neu auszurichten. Leidenschaft ist zweifellos ein entscheidender Treiber für Innovation, aber sie muss ausgewogen und harmonisch sein. Denn zu viel des Guten kann uns in die falsche Richtung lenken – und wer will schon die nächste große Idee an einem Tunnelblick verlieren?
Also, gehen Sie raus, inspirieren Ihr Team, aber vergessen Sie nicht, auch mal auf die Bremse zu treten. Manchmal ist genau das der Moment, in dem die wirklich innovativen Ideen geboren werden.
Quelle
Xin Wei et al, Does passion matter for team innovation? The conditional indirect effects of team harmonious versus obsessive passion via team reflexivity, Personnel Psychology (2023) – DOI: 10.1111/peps.12584
Bild: DALL-E